am Beispiel Aktion Deutschland Hilft
von Thilo Reichenbach
Der TNS Spendenmonitor geht für 2008 von einem Geldspendenvolumen privater Haushalte in Höhe von 2,8 Milliarden Euro aus. Auch wenn derzeit (nur) rund ein bis fünf Prozent der Spenden online erlöst werden, sind die Zuwachsraten der letzen Jahre doch rasant. Organisationen der Katastrophenhilfe generieren schon heute bis zu 15 Prozent ihrer Spenden online. Hinzu kommen die per Online-Banking generierten Spenden, laut GFK nochmals ca. 15 Prozent des Gesamtvolumens.
Die Merkmale des Internets Schnelligkeit, Multimedialität und Interaktivität kommen insbesondere Organisationen, die Katastrophenhilfe leisten, zugute. Denn Spendenaufrufe können binnen kürzester Zeit weltweit über die Webseite, Blogs, Facebook und Co. verfügbar gemacht werden. Die multimediale Ansprache über Videos und interaktive Spendentools eröffnet eine deutlich verbesserte Möglichkeit der emotionalen Involvierung von Zielgruppen.
Online-Fundraising/-Marketing basiert im Wesentlichen auf den Säulen: E-Mail-Marketing, Suchmaschinen-Marketing, Social Media-Marketing sowie Online Werbung (Banner& Co.) und Online-Kooperationen. Auf die ersten drei Punkte soll im Folgenden näher eingegangen werden.
1. Die Webseite
Das Herz des Online-Fundraisings ist die Webseite, zu ihr führen alle Promotion-Maßnahmen, alle Online-Spendenaufrufe. Internetnutzer halten sich zu 99,9 % ihrer Zeit auf anderen Webseiten auf. Hier haben sie gelernt, wie bestimmte Dinge funktionieren, daher sollten Non-Profit-Organisationen (NPOs) grundlegende Aspekte der Usability (der Bedienbarkeit einer Webseite) einhalten und auf eine professionelle Gestaltung Wert legen. Eine konsistente Text- und Bildsprache muss den Nutzer binnen Sekunden begreifen lassen, worum es auf der Webseite geht. Die Verwendung von Bildern macht es zudem deutlich einfacher, den Leser zu aktivieren und emotional zu involvieren, die Ansprache wird so ganzheitlicher; reine Textwüsten bewirken nur eins: Sie schrecken ab.
Eyetracking-Studien zeigen, welche Bereiche einer Webseite besonders stark beachtet werden und welche weniger stark: 70 Prozent der Aufmerksamkeit fallen in das linke obere Viertel einer Webseite (SCHREIER et al). Daher ist z.B. auf www.aktion-deutschland-hilft.de, der Webseite des Bündnisses der Hilfsorganisationen, an dieser Stelle das – mit der Startseite verlinkte – Logo untergebracht, ebenso wie der rote Spenden-Button. Dieser führt mit der Aufforderung „Jetzt spenden!“ auf das von jeder beliebigen Unterseite mit nur einem Klick erreichbare Spendenformular. Die haptisch wirkende Anmutung des Buttons lädt zum Klicken ein und ist deutlich aufmerksamkeitsstärker als ein einfacher Textlink.
Unterhalb des Spendenbuttons findet sich die Navigation, sie gibt Antwort auf die Fragen: Woher komme ich? Wo bin ich und wohin kann ich gehen? Usability-Experten raten, möglichst sieben Navigationselemente nicht zu überschreiten, da dies die Grenze an Informationen darstellt, die ein Mensch gleichzeitig verarbeiten kann. Der Inhalt, der sich hinter den Navigationspunkten verbirgt muss intuitiv erahnbar sein, denn was der Mensch nicht kennt, das klickt er auch nicht. Gelernte Position für die Hauptnavigation ist die vertikale Ausrichtung auf der aufmerksamkeitsstarken oberen linken Seite. Abweichungen hiervon müssen gut überlegt sein, da sie schnell zu einer Verunsicherung der Nutzer führen können. Eine Brotkrumen-Navigation, also eine Pfadangabe oberhalb eines jeden Artikels, ermöglicht dem Nutzer Navigationssprünge über mehrere Ebenen und gibt Orientierung. Ein, wie auf den Seiten sos-kinderdoefer.de oder wwf.de, verwendetes Farbleitsystem, bei dem z.B. die Subnavigation, die Farbe wechselt, je nach Kategorie in der sich der man sich befindet, kann zusätzliche Orientierung vermitteln.
Die Suche: Kommen die Besucher nicht mit drei bis vier Klicks zur gewünschten Information, bemühen Nutzer meist die – oftmals nicht zufrieden stellende – Suchfunktion.
Tipp: Ist Ihre Webseitesuche unzureichend? Testen Sie die für NPOs kostenfreie Google Custom Search, sie ist einfach einbindbar und nutzt Google Suchtechnologie.
Vertrauen als Erfolgsfaktor: Der Aufbau von Vertrauen gilt als Schlüsselkategorie und Voraussetzung für den Fundraising-Erfolg (FISCHER, K.). Während des Spendenprozesses reicht ein einziger Zweifel, eine unbeantwortete Spenderfrage, um den Spendenprozess zu beenden, der eben noch spendenwillige Nutzer ist, nicht selten für immer, verloren. Eine NPO sollte daher alles unternehmen, um Zweifel an der Seriosität nicht aufkommen zu lassen. Hierzu gehören das gesetzlich vorgeschriebene Impressum, die einfache Kontaktaufnahmemöglichkeit, ebenso wie klare Hinweise hinsichtlich des Umgangs und der Sicherheit der Spenderdaten. Auf der Startseite von aktion-deutschland-hilft.de finden sich zudem das Prüfsiegel des DZI – es signalisiert den verantwortungvollen Umgang mit Spendengeldern – und Fotos der „Testimonials“ Steinmeier (Kuratoriumsvorsitzender) und Weizsäcker (Schirmherr). Sie geben Antwort auf die Spenderfrage: „Wer garantiert, dass meine Spende ankommt?“
Aktivierung / Involvierung: Eine Webseite muss dem Seitenbesucher einen konkreten Nutzen bieten und im Stande sein, ihn zu aktivieren, zu involvieren und schließlich zur Spende zu animieren (Fischer, K.). Klickt ein Nutzer in einen bestimmten Artikel, kann man von einem veritablen Interesse am Inhalt ausgehen und es ist nicht unwahrscheinlich, dass ihn auch „ähnliche Artikel“ interessieren. Daher sollten ihm in jeder Kategorie der Webseite stets kontextbezogene Informationen, wie passende Publikationen, Videos oder Interviews angeboten werden, dies gibt ihm die Möglichkeit tiefer in den Inhalt einzusteigen.
Videos eigenen sich hervorragend, um zum einen dem weniger involvierten Besuchern der Seite Informationen schnell und einfach konsumierbar darzubringen und zum anderen, um potenzielle Spender mit Videos aus Projektgebieten emotional zu aktivieren.
Gute Möglichkeiten Nutzer zu aktivieren und zu involvieren bieten z.B. auch die spielerischen Angebote der Welthungerhilfe (das „Feld gegen Hunger“), Unicefs „Spendenshop“ oder das SOS-Spiel „change her life“. Allen Angeboten ist gemeinsam, dass der Nutzer sie spielerisch, ohne groß nachzudenken entdecken kann. Überzeugt ihn die Arbeit der NPOs kann er sie direkt online unterstützen.
2. E-Mail-Marketing
60 Prozent der Internetnutzer bekommen wöchentlich bis zu einhundert unerwünschte E-Mails. Aufgrund dieser Informationsüberlastung müssen Werbebotschaften erwünscht, persönlich und relevant sein, wollen sie nicht der immer drastischeren Informationsselektion seitens der Empfänger zum Opfer fallen. Dennoch, E-Mail ist die wichtigste Applikation im Netz. 86 Prozent der Internet-Nutzer haben Newsletter abonniert. Die (teilweise) mehrfach personalisierte Ansprache über den Namen sorgt unmittelbar für eine erhöhte Wahrnehmung des Werbemittels, und konstituiert ein beziehungsorientiertes Spendenmarketing. Ziele der E-Mail-Marketing-Maßnahmen können a) die Spenderbindung oder b) das direkte Einwerben von Spenden sein. Je nach Ziel sollte der Newsletter unterschiedlich aufgebaut sein.
E-Mails, die der Spendenbindung dienen, können allerlei Wissenswertes zur Arbeit der NPO enthalten, zeigen wie Spenden umgesetzt wurden und was sie bewirkt haben. Auch Gewinnspiele und kostenfreie Downloads z.B. von Bildschirmschonern, Publikationen sind denkbar. Liegt hingegen ein wirklicher Spendengrund vor, sollten Betreff der E-Mail, Bilder, Texte und die Zielseite klar aufeinander abgestimmt sein. Ziel ist einzig das Spendenformular und die Spende.
Praxisbeispiel:
Aktion Deutschland Hilft versendete anlässlich des Zyklons in Birma zwei Emergency-eMailings, die erste eNews wenige Stunden nach der Katastrophe: Text und Bildsprache des Newsletters zeigten den Bedarf vor Ort, eine Shoppinglist verdeutlichte gleichzeitig, wie mittels Spendengeldern geholfen werden kann. Betreff, Bild- und Textsprache waren klar aufeinander abgestimmt. Eine zweite eNews, eine Woche nach der Katastrophe, enthielt ein Video, in dem ein katastrophenerprobter Mitarbeiter von World Vision die verheerende Lage vor Ort beschreibt, sein Entsetzen ist überdeutlich, er schluckt, als er berichtet, wie eine drei Meter hohe Flutwelle in das Haus eines Vaters von drei Kindern eindrang. Um das Leben seiner Kinder zu retten, packte der Vater seine zwei Kinder mit der einen Hand und mit der anderen einen Ast, das dritte Kind musste er loslassen…
Was abstrakte Zahlen über Tausende Tote nicht zu leisten imstande waren, vermochte dieses Einzelschicksal, es emotionalisierte, gab dem Schrecken ein Gesicht und weckte den Wunsch zu helfen.
Das Ergebnis beider eNews lag je im fünfstelligen Bereich. Einige Wochen später erhielt die Hausliste mit der Regelkommunikation, in einer thematisch breiter gefächerten eNews, unter anderem ein Video, das zeigte, wie die Hilfsgüter bei den Menschen ankommen. Ziel war nicht die Generierung von Spendengeldern, sondern das gute Gefühl etwas mit der Spende bewirkt zu haben (Spenderbindung).
3. Suchmaschinen-Marketing
94 Prozent der Internet-User nutzen das Internet für den Kaufentscheidungsprozess. 85 Prozent der Recherchen/Suchen erfolgen über Suchmaschinen. Diese beiden Zahlen begründen, warum fundraisingorientierte NPOs eine möglichst hohe Visibility in Suchmaschinen anstreben sollten. Wertet man das Nutzerverhalten derjenigen Besucher aus, die über Suchmaschinen kommen, wird man leicht feststellen, dass diese einen relativ hohen Grad der Involviertheit besitzen: Sie schauen sich überdurchschnittliche viele Seiten an und weisen eine hohe Verweildauer auf. Organisationen, die in diesem Bereich noch kein Know-how aufgebaut haben, sei dies dringend geraten, denn über Suchmaschinen kommen diejenigen Nutzer, die aktiv nach dem Suchen, was die NPOs anbieten. Relevanter kann (Spenden-) werbung nicht sein. Wie viele größere NPOs nimmt auch Aktion Deutschland Hilft am GoogleGrants-Programms teil. Hier haben gemeinnützige Organisationen die Möglichkeit, kostenfrei Anzeigen im Wert von maximal 10.000 $/Monat in den Google Suchergebnissen zu schalten.
Praxisbeispiel:
Wenige Stunden nachdem der Zyklon Nargis Birma traf, schaltete Aktion Deutschland Hilft bei Google Textanzeigen (Adwords). Anzeigen und Zielseite waren klar aufeinander abgestimmt. Die durch die Medien vorinformierte und hochinvolvierte Zielgruppe, die nach bestimmten Suchphrasen (Keywords) suchte, konnte in den Google Suchergebnissen auf die entsprechenden Anzeigen klicken, die Landingpage führte über den „jetzt spenden“-Button auf das Spendenformular.
Tipps: Lassen Sie einen Suchmaschinen-Optimierer über Ihre Seite schauen und bauen Sie hier grundlegendes Know how auf. Oft reichen schon kleine Änderungen, um deutlich mehr Besucher auf Ihre Seite zu ziehen. Tool-Tipps zum Entdecken: Yahoo Site Explorer: Hier sehen Sie, welche Seiten auf Ihre Seite (und die Ihrer Mitbewerber) verlinken. External Keywordtool: Nach welchen Wörtern suchen die Menschen bei Google. Und wie oft? Finden Sie es heraus! Googles Webmastertool: zeigt Ihnen (fast) alles, was Google über Ihre Webseite weiß, z.B. über welche Suchworte die Nutzer auf Ihre Webseite gelangen.
4. Social Media-Marketing
Der Paradigmenwechsel, den das Web 2.0 einläutete, hat Konsequenzen für die Kommunikation von NPOs. Gerade jüngere Internetnutzer haben den Wandel vom reinen Botschafts-Konsumenten zum Botschaften-Produzenten längst vollzogen: In Foren, Blogs, auf Facebook oder Twitter kann jeder seine Meinung problemlos kundtun. Auch über die Arbeit von NPOs.
Mittlerweile nutzt die überwiegende Mehrheit der Altersgruppe bis 29 Jahren soziale Netzwerke. Insbesondere Organisationen aus dem anglo-amerikanischen Raum haben diesen Trend bereits vor Jahren erkannt und betreiben eigene Profile bzw. eigens gebrandete Microsites in den großen Netzwerken.
Ziel der Kommunikation über Soziale Netzwerke kann es nur sein, junge Menschen an die NPOs heranzuführen und sie für deren Arbeit und Vision zu begeistern. Ist eine wirkliche Beziehung aufgebaut, kann zum richtigen Zeitpunkt, für das richtige Projekt auch um eine Spende gebeten werden. Doch Social Media-Marketing ist nicht neben dem Alltagsgeschäft durchführbar, sondern benötigt finanzielle und personelle Ressourcen, daher sollten sich NPOs gut überlegen, ob und in welchen Netzwerken sie präsent sein wollen.
Der Anspruch, dass sich die Investition in Social Media sofort amortisiert müsse, wäre fehlgeleitet. Das Gegenteil ist der Fall: Social Media ist eine klare Investition in die Zukunft und bietet die Chance, die eigene NPO den veränderten (Kommunikations-)Bedingungen des Fundraisings anzupassen, sich dem offenen und authentischen Dialog mit jungen Menschen zu stellen, Meinungsführer zu erreichen und Beziehungen zu jüngeren, gebildeteren Zielgruppen aufzubauen, um so die Zukunftsfähigkeit der eigenen NPO zu sichern.
Ein Wort zum Schluss
Im Internet ist (fast) alles messbar, daher ist es unabdingbar den Erfolg jeder einzelnen Maßnahme zu messen. So dürften wohl die meisten Spendenwerbungsversuche über Online-Banner oder E-Mail-Marketing Fremdlisten floppen, wer aber nicht misst, ist auch nicht in der Lage zu prüfen, welche Maßnahmen funktionieren und welche nicht. Messen ist daher Pflicht!