Es lohnt sich immer wieder, einmal einen Blick in SOFII zu werfen. Denn dort finden Sie gut aufbereitete Case Studies, die Ihnen Impulse für eigene Ideen geben. Hier eine konkrete Überlegung, wie Sie eine Fundraising-Kampagne ausgehend von einer dieser Case Studies aufsetzen können. An dieser Stelle Dank an die englischen Kollegen, die uns ihre Genehmigung gegeben haben, auf ihr Material Bezug zu nehmen.
Mein persönlicher Favorit bei SOFII, dem englischen Showcase für Fundraising, ist dort gerade ein Fundraising-Programm, das 1988 von UNICEF in Italien entwickelt wurde und dort bis heute umgerechnet ca. 13 Millionen Euros gefundraist hat. Es läuft in Italien unter dem Namen UNICEF Pigotta Project. Die Case-Study bei SOFII finden Sie hier. Die Idee ist einfach. Wie so viele gute Ideen. Und aus diesem Grunde beschreiben wir hier kurz das Projekt und skizzieren unten, wie Sie diese Idee für sich umsetzen können. Wir beschreiben eine Kampagne. Es können aber auch andere, kleinere Formate daraus entstehen.
Kennen Sie eine Lumpenpuppe?
Pigotta ist das italienische Wort für „Rag Doll“, auf Deutsch die Lumpenpuppe. Lumpenpuppen sind aus Stoffresten gebastelte Puppen. Sie können handwerklich sehr schlicht sein. Also eher gebastelt. Aber auch wahre Kunstwerke. Von asiatisch bis PUNK gibt es alle Varianten.
Eine schöne Sammlung auf Pinterest ist
http://pinterest.com/smallforbig/best-dolls-out-there/
Lumpenpuppen sind definitiv Wesen bei denen der Phantasie keine Grenzen gesetzt sind. Je länger man sich mit diesen Puppen beschäftigt, spürt man: Bei diesem Thema kann ganz viel Kreativität freigesetzt werden kann. Und das ist die erste Stufe zur Emotion. Und diese ist im Fundraising gut.
Was tat UNICEF?
Gebastelte Puppen, auch Lumpenpuppen sind bei NPOs auf dem einen oder anderen Basar schon früher gesehen worden. UNICEF ging mit den Stoffpuppen in Italien in eine neue Dimension. UNICEF Italien machte daraus ein Gemeinschafts-Event und verknüpfte die Lumpenpuppen mit einer Adaptions-Logik:
„Adoptiere eine Puppe und rette ein Kind.“
Das ist eine starke Aussage, die dabei bei UNICEF auf zwei Ebenen Realität ist.
Zum einen schrieb UNICEF: „Jede Puppe steht für ein Kind, das an unserer Impfkampagne teilnimmt.“ In der Realität gibt es also eine 1 : 1 Wirkung. Die Spende betrug minimal die Kosten für einen Impf-Zyklus. In der Realitätsebene gibt es zusätzlich die Repräsentanz der Länder, in denen die Impfkampagnen laufen. Die Puppen sollten als Menschen dieses Landes erkennbar sein. Damit hilft dieses Projekt auch dabei, andere Kulturen lieben zu lernen. Denn wie kann man das besser, als wenn man eine „ausländische“ Puppe an sein Herz drückt?
Zu dieser realen Ebene gibt es bei Pigotta zusätzlich noch eine emotionale Ebene, die in unseren Augen besonders schön ist: An jeder Puppe hängt ein Zettel, auf dem der Bastler / Schöpfer / Künstler der Puppe mit Namen genannt ist. Mit seiner Adresse und einer Bitte an die neuen „Eltern“ der Puppe, kurz zu mailen, wo die Puppe ein neues Zuhause gefunden hat. Das ist eine starke Involvement-Logik und zeigt, was möglich ist.
Die Idee startete in Italien klein, wuchs dort und ist inzwischen von dort bei UNICEF in andere Länder wie Frankreich und Finnland gesprungen. Unseres Wissens nach aber nicht bei uns in Deutschland (warum eigentlich nicht?).
Das ist natürlich für Sie eine gute Situation …
Holen Sie diese Idee nach Deutschland
Hier die Skizze, wie Sie (wenn die Idee zu Ihnen passt), Lumpenpuppen für sich selbst nutzen können. Verwenden Sie aber nicht den Namen Pigotta. Das ist die geschützte Marke von UNICEF.
Der Name
Sie brauchen einen guten Namen für das Projekt. Wir schlagen einmal vor:
Lumpenpuppe
• Dieser Name ist ungewöhnlich und sogar ein wenig Doppeldeutig
• Er kann z.B. für ein Straßenkinderprojekt stehen, Kinderschutzprojekte etc.
• Der Name ist natürlich alleine noch nicht die Headline, aber das Rohmaterial dafür
Erster Schritt: Namen sichern
• Bei den Domains sind mit Stand heute fast alle frei. Nur die .de ist belegt. Es bieten sich die .com und die .org an. (wer sie sich zuerst holt, hat sie).
• Das Keyword „lumpenpuppe“ bei Google hat nur etwas über 7.000 Treffer. Sie können also mit wenig Aufwand hier auf eine sehr gute Position kommen (Achtung: Landingpage trotzdem früh aufbauen und das Keyword schon einmal anfüttern, damit Sie sicher zum Start der Kampagne oben sind).
• Markenschutz brauchen Sie bei „Lumpenpuppe“ nicht. Diesen Namen können Sie so ohnehin nicht beim deutschen Patenamt eintragen. Das würde nur gehen, wenn Sie den Namen noch etwas umbauen. Das wäre aber bei einer einmaligen Kampagne etwas überzogen. Angenommen, Sie wollten dies mehrere Jahre als Programm aufsetzen, ist das anders zu sehen.
Wenn Ihnen dieser Name zu „lumpig“ ist, geht es natürlich auch mit einem anderen Namen. Z.B. ein netter Name, der die Schönheit der Puppen unterstreicht.
Schreiben Sie dazu eine markante Geschichte
Storytelling
• Was haben die Puppen (oder die Lumpen) mit Ihrem Projekt zu tun?
• Was repräsentieren sie?
• Finden Sie den Touching Point zwischen Ihrer Wirklichkeit und dem Symbol der Puppe.
• Formen Sie daraus eine Headline, die unmittelbar anspricht.
• Bauen Sie dann um diese Geschichte eine gesamte Aktion.
Entwickeln Sie eine Kampagnen- oder Programmlogik
Steht die Aktion, gilt es diese in einer Kampagne auszurollen. Eine Kampagne würde nur einmal laufen. Zum Beispiel über 6 Monate. Ein Programm würde jährlich wiederholt, wie dies UNICEF in Italien tut. In der Logik wird festgehalten, wer wann die Puppen fertigt und wer wann dafür spendet.
Fundraising-Logik
Für Fundraiser natürlich wichtig:
• Welche Art von Spende bewegen Sie über die Puppen?
• Eine einmalige Kleinspende?
• Den Einstieg in eine Patenschaft für ein Straßenkind?
• Sind Puppen besonders, ist sogar eine Großspenderlogik denkbar
Dimensionierung
Überlegen Sie dies gut, denn davon hängt der Return on Investment Ihrer Aktion ab.
Je kleiner Sie als Organisation sind, um so höher muss Ihr Ertrag pro Puppe werden. Sonst steht die Arbeit vor und in der Aktion in keinem Verhältnis zum Gewinn. Aber mitbedenken: Es ist keine reine Fundraisingaktion. Viele Menschen lieben es, diese Puppen zu schaffen. Also Einbeziehung pur. Gewinnen Sie Herzen und Geld. Überlegen Sie sich vorher, wie viel von wovon.
Erzeugen Sie Begeisterung und beziehen Sie Menschen ein
Diese Idee lebt von Menschen, die mitmachen. Von daher brauchen Sie Kontakte zu Gruppen, die Puppen basteln wollen. Gruppen mit Kindern fallen einem dort zu allererst ein. Natürlich Schulen und Kindergärten. Es können aber auch andere Gruppen sein. Warum nicht Seniorengruppen?
Kampagnenplanung
Ab dann geht es in die Kampagnen-Planung: Wer tut was wann, damit eine bestimmte Anzahl von Lumpenpuppen neue Eltern findet?
Fazit
Streng genommen erfinden wir hier gerade den Begriff der „Lumpenpuppenspende“. Ein herrlich deutsches Wort, für das wir historisch den Anspruch erheben wollen, es als erste gebraucht zu haben 😉
Wir finden: Wenn UNICEF damit etliche Millionen Euro in Italien bewegt hat, lohnt es sich, darüber eine Minute nachzudenken.
Quellen
Danke an die SOFII Foundation für die Publikation dieser Idee.
Das Fallbeispiel mit Bildern finden Sie auf
http://www.sofii.org/node/219
Die Pigotta-Programmseite von UNICEF Italien
http://pigotta.unicef.it/
Die hier im Artikel verwendeten Fotos sind keine Originalfotos aus dem Pigotta Projekt. Originalfotos aus dem Projekt können Sie bei SOFFII und UNICEF Italien sehen.
Bildquelle Fotos Rag Dolls
Foto Strickpuppe © Rihards – Fotolia.com
Foto Afrikanische Puppe © Elzbieta Sekowska – Fotolia.com