Rezension von Ehrenfried Conta Gromberg
 

 
Tomáš Sedláček
Die Ökonomie von Gut und Böse
Carl Hanser Verlag, 2012
448 Seiten gebunden
ISBN-13: 978-3446428232
 

Als ich den Titel des Buches las, vielen mit sofort eine Reihe von Fragen ein: Sind Banken gut oder böse? Ist der Kapitalismus gut oder böse? Was ist an der Schuldenkrise gut oder böse? Um es gleich vorweg zu sagen: Keine dieser Fragen beantwortet Tomáš Sedláček in seinem Buch.

 
Tomáš Sedláček fängt an ganz anderer Stelle an. Beim Gilgamesch-Epos. Dann wandert er durch das Alte Testament, die Welt der Philosophen wie Descartes, um sich schließlich klassischen Ökonomen wie Adam Smith und anderen zuzuwenden. Er schlüsselt alte Mythen und ökonomische Theorien nach der Frage auf, was den Menschen treibt, das zu tun, was er tut.

Ein Buch auf den Pfaden alter Geschichten und klassischer Theorien

Die Ökonomie von Gut und Böse ist ein Buch auf der Suche nach der Wahrheit hinter der (ökonomischen) Wahrheit. Dies wäre ein philosophisches Buch, wäre es nicht von einem Ökonomen geschrieben.
Tomáš Sedláček ist Chefökonom der größten tschechischen Bank, der Tschechoslowakischen Handelsbank, sitzt im Wirtschaftsrat seines Landes und hat einen ausgezeichneten akademischen Ruf, was ihm u.a. ein Stipendium an der Yale University einbrachte. Unter Václav Havel war er dessen Berater.
Ein Ökonom schreibt also ein philosophisches, manchmal fast religiöses Buch und zitiert nicht nur die Klassiker, sondern auch aus Kinofilmen wie Matrix oder Watchman. Das klingt spannend.

Was ist seine Kernaussage?

Für mich fand ich sie auf Seite 370:
„In den letzten Jahren hat die Mainstream-Ökonomie ursprüngliche ökonomische Themen wie Ethik und Moral aufgegeben (…). Wir haben den Fokus der Wissenschaft verändert – oder extrem stark verschoben –, und zwar nur, weil wir begonnen haben, eine neue Sprache zu benutzen. Kurz gesagt: Die Ökonomie hat zu viel Gewicht auf das Mathematische gelegt und das nicht mathematische Menschliche in uns vernachlässigt.“
Daraus erklärt sich, dass Tomáš Sedláček durch die Jahrhunderte nach Denkern sucht, die Ökonomie noch in eine andere, als in eine mathematische Sprache fassten.

Fazit

Dieses Buch ist vordergründig keine Pflichtlektüre für Fundraiser. Wer das Gilgamesch Epos, Aristoteles, biblische Zitate, den Talmud und Ökonomen wie Hume, Mandeville, Smith, Keynes nicht lesen mag, sollte nicht zu diesem Band greifen. Wer aber das Interesse hat, genau diese Klassiker unter dem Blickwinkel unserer heutigen Krisen zu sehen, der ist bei Tomáš Sedláček bestens aufgehoben. Er führt das ökonomische Storytelling bis in die Neuzeit und setzt in meinen Augen die Ökonomie wieder an den Platz, wo sie Nutzen entfaltet. „Nutzen“, was das ist, lernen Sie übrigens bestimmt in diesem Buch. Und vielleicht auch den einen oder anderen Blickwinkel, der hilft, Förderer nicht nur mathematisch zu sehen. Versuchen Sie es zum Beispiel einmal mit den „Animal Spirits“.
 
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