2012 plant der Bund einen „Entwicklungshilfeschatzbrief“
Der Bund hat ein Problem
Deutschland kann sein auf Europaebene gegebenes Ziel, seine Entwicklungshilfemittel bis 2015 auf 0,7 Prozent des Bruttonationaleinkommens zu steigern, nicht halten. Entwicklungsminister Dirk Niebel (FDP) fehlen ungefähr 10 Milliarden Euro, um dem Versprechen nachzukommen. Es fehlt also viel Geld. Zeit für Fundraising, denkt sich daher die Regierung und hebt ein Produkt aus der Taufe, bei der sich einem erfahrenem Fundraiser einige Fragen stellen.
Die Lösung = der Entwicklungshilfeschatzbrief
Die Idee klingt recht einfach: Laut dpa Meldung (dpa-AFX) vom 24.02.2011 sollen Bundesbürger ab 2012 – zunächst als Versuch – einen speziellen Bundesschatzbrief erwerben können. Diese neue Anleihe hat eine kleine Besonderheit: Es gibt dafür nichts. Die Anleger bekommen keine Zinsen, nur einen minimalen Inflationsausgleich. Ein Teil des Renditeverzichtes soll dem Entwicklungshilferessort zugeschlagen werden. Die Aussage in der ersten Ankündigung ist nicht ganz klar, meint aber wahrscheinlich: „Renditeverzicht abzüglich der Kosten für die Markteinführung = Ausschüttung für die Entwicklungshilfe.“
Das Papier richte sich an Menschen, so der Entwicklungshilfeminister, „die nicht spenden wollen, aber nicht auf die Rendite schielen“. Eingesammelt werden soll „ethisch orientiertes Sparkapital“. Der Gedanke des Verzichts auf Rendite ist nicht neu. Eine Reihe von ethischen Investmentfonds oder Spendendarlehen arbeiten mit ähnlichen Wirkweisen. Trotzdem stellt sich die Frage, ob dieses neue Fundraisinginstrument Erfolg haben kann.
Unsere Einschätzung zum Schatzbrief
Die Idee hört sich einfach an. Menschen legen Geld an und der Staat braucht keine Rendite auszuschütten und leitet diese einfach um. Doch es gibt ein Problem dabei: Fundraising wird vom Vertrauen genährt. Vertrauen Menschen dem Staat aber Geld für Entwicklungshilfe über den Umweg einer Staatsanleihe an?
Hier stellt sich Zweifel ein. Denn diesem Produkt, zumindest das, was bisher davon zu hören war, fehlt bisher alles, was es zu einem guten Fundraising braucht. Sehen wir uns den Entwicklungshilfeschatzbrief einmal näher an. „Bundesschatzbrief“ ist ein anderer Name für „Schulden“. Der Anleger übernimmt also einen Teil der Schulden der Bundesrepublik. Das ist die Übernahme eines „Minus“. Der Glanz vom Minus Geld des Staates ist nicht mehr das, was es er einmal war. Ich trage also einen Teil der Schulden, des Minus des Staates, und habe als Nutzen, dass ein nicht wirklich konkret bestimmter Anteil des Geldes an in keiner Weise näher bestimmte Projekte fließt. Wenn das das Konzept sein sollte, wird dieses Produkt scheitern. Denn Menschen vertrauen keinem Minus Geld an. Sie geben Lösungen und Projekten, die die Welt verändern.
Eine Fundraising-Faustregel lautet „Menschen geben keinem Minus“. Eine Lücke in den eigenen Einnahmen, Schulden oder ein Planungsloch sind kein guter Anlass, um zu fundraisen. Von daher bleibt Skepsis gegenüber dem neuen Versuch. Diese Regel ist natürlich nicht in Erz gegossen.
Not macht erfinderisch
Vielleicht erinnern Sie sich an den Bürgermeister Christoph Schmidt-Rose aus Thüringen?
Er machte in seiner Gemeinde Niederzimmern Anfang 2010 aus einer Not eine Tugend. Da die kleine Gemeinde den durch Eissprengung entstandenen Schlaglöchern nicht mehr Herr wurde, bot er jedes Schlagloch einfach für 50 Euro pro Stück zum Verkauf an. Wer für 50 Euro ein Schlagloch übernahm, bekam dafür eine kleine Plakette mit Nennung des Namens oder eines Spruches als Dankeschön in das Schlagloch mit eingeteert. Er ließ die Schlaglöcher fotografieren und stellte sie auf die Internetseite www.niederzimmern.de zum Verkauf aus. Die zu Beginn nicht ganz ernst gemeinte Idee entpuppte sich als Renner. Schon nach 3 Tagen fanden die ersten Schlaglöcher Abnehmer. Bis zum 18. April 2010 verkaufte er 237 Schlaglöcher zum Stückpreis von 50 Euro. Das ist ein Plus von 11.850 Euro.
Fazit
Wir sind gespannt, ob der Bundesregierung mit ihrem Entwicklungshilfeschatzbrief ähnliches gelingt. Der Entwicklungshilfeschatzbrief ist noch nicht fertig. Derzeit gibt es nur ein Eckpunktepapier und die konkrete Entwicklung des innovativen Finanzprodukte ist in Auftrag gegeben.