Einige unverbindliche Gedanken als Nachgang zum diesjährigen Fundraisingkongress
von Ehrenfried Conta Gromberg
Der Fundraisingkongress 2011 in Fulda war wieder einmal schön. Wir waren gerne da und haben Fulda genossen. Die Verleihung des Fundraisingpreises an das Ehepaar Fischer war für uns einer der Höhepunkte. Von daher Dank für all die Arbeit, auch an den Vorstand des Verbandes, vieles davon ehrenamtlich eingebracht.
Wir fuhren aber auch mit einem unguten Gefühl nach Hause. Niemand spricht es offen aus, aber das Erfolgsmodell von früher ist vorbei. Die Zahlen des Kongresses stagnieren, ja sie sinken sogar und bis dato haben wir keine Idee gehört, die uns glauben lässt, dass sich dieser Trend ändern wird. Einige Beobachtungen auf den Kongress haben unsere Sorgen eher verstärkt.
Könnte es am Geschäftsmodell liegen?
Einige unserer Beobachtungen in Fulda:
– Häufiger hören wir klagen über die Höhe des Preises für den Kongress
– Viele Organisationen senden nur noch eine Person, nicht mehrere wie früher
– Eine ganze Reihe Fundraiser und Fundraiserinnen mit langjähriger Berufserfahrung kommen gar nicht mehr oder nur noch alle drei Jahre
– Das Programm war in Ordnung, aber nicht genial
– Wichtige Kontroversen oder Innovationen wurden gar nicht diskutiert
Für wen ist der Kongress?
Netzwerker, wie wir es sind, nehmen nur selten am Programm teil. Die Gespräche mit Kolleginnen und Kollegen sind wichtiger und füllen fast die ganze Zeit. Für Kaffee-Trinken auf den Fluren ist der Preis aber dann doch happig. Auf den Fluren war deshalb zu hören: Können wir ein Netzwerk-Treffen nicht auch günstiger organisieren? Und die Fundraiser kleiner Organisationen können sich den Kongress kaum leisten. Dies alles führt zu einer Stagnation der Zahl der Teilnehmer.
Stimmt das ursprüngliche Geschäftskonzept noch?
Der Kongress ist natürlich immer noch der Treff der Branche. Das Wort „noch“ sollte aber zu denken geben. Stimmt das Geschäftsmodell des Kongresses für die nächsten Jahre? Welchen Nutzen schafft der Kongress noch für die Fundraiser und Fundraiserinnen? Wird es nicht endlich Zeit zu erkennen, dass sich die Berufsgruppe in den letzten 20 Jahren stark gewandelt hat – vom Einzelkämpfer und Generalisten zu gut ausgebildeten Spezialisten, die sich in immer kleineren Zirkeln treffen? Welche Auswirkungen hat das für den Kongress?
Einige Gedanken zu einem neuen Geschäftsmodell
1. Klarer Fokus auf den Nutzen
Verschiedene Gruppen haben unterschiedliche Erwartungen an einen Kongress. Welche Nutzen sollen bedient werden? Ist es noch notwendig, in immer wieder den gleichen Workshops den Aufbau von Mailings durchzudeklinieren? Macht es Sinn, Seminare für Spezialisten anzubieten, die nur für wenige interessant sind? Kommen Führungskräfte, weil es Messer-und-Gabel-Kurse gibt? Hier scheint es notwendig zu sein, den Kongress noch einmal neu zu positionieren und zu überlegen, wer die Zielgruppe ist, die sich auf dem Kongress treffen soll.
2. Mut zur Kontroverse
Obwohl wir uns alle mögen und uns gut verstehen: Kontroversen sind das Salz in der Suppe. Und Kontroversen gibt es im Fundraising allemal. Nicht nur, dass wir uns über ethisch problematische Praktiken (von Haustürwerbung bis zum Mailing) auseinandersetzen können. Auch andere Fragen sind spannend: Von der Siegel-Problematik, über Vergütungsmodelle (Sinn und Unsinn von Provisionen) bis hin zur Kritik an Patenschaften. Und dann die Frage, was Spenden auf dieser Welt wirklich anrichten. Alles spannende Themen, die nur darauf warten, aufgegriffen zu werden. Das ist alles weit spannender als die ewigen „Agentur + Organisation präsentieren eine Fallstudie“ Seminare.
3. Relevante Informationen für Profis
Warum kommen die Profis immer seltener? Weil es für sie keine Angebote gibt. So fehlen Studien auf dem Kongress fast vollständig. Gesucht wird dabei nicht die bekannte Verkaufsveranstaltung eines Marktforschungs-Instituts, sondern die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit Fundraising, Spenden und Geben. Denn wenn der Kongress hier nicht aufpasst, suchen sich diese Diskurse andere Orte. Der Prozess ist schon im Gang.
4. Neue Zielgruppen
Fundraising mehr ist als nur Spenden. Wir stehen in der Gefahr, die gesamte Szene der Social Entrepreneurs und innovativer Finanzierungskonzepte an andere zu verlieren. Auch mit der re:campaign ist ein Format entstanden, die für Fundraiser interessant ist. Allerdings werden hier junge Menschen angesprochen, die wir bisher auf dem Fundraising-Kongress selten gesehen haben.
5. Preis-Leistungs-Verhältnis
Last but not least geht es natürlich auch um den Preis. Dieser hängt mit der Zielgruppe und dem Nutzen zusammen. Zunächst der nicht ganz ernst gemeinte Vorschlag der „Flurkarte mit Kaffee-Flat“. Wie wäre es tatsächlich mit einer Spezial-Karte für Netzwerker? Kein Zugang zu Workshops und Seminaren, dafür aber: Eröffnung, Key-Notes und Gala. Das natürlicher günstiger als die Vollbuchung. Dann würde der Kongress der zentrale Event des Networkings. Und allen Überlegungen für alternative Veranstaltungsformate wäre der Boden entzogen. Die Tageskarte ist hier nicht die Lösung. Kein Netzwerker kommt nur für einen Tag.
Oder wie ist es mit attraktiven Gruppenangeboten? Ziel wäre es, pro Organisation die Anzahl der Teilnehmer im Minimum zu verdoppeln. Der erste zahlt den vollen Preis. Der zweite 20 Prozent weniger. Der dritte noch einmal 20 Prozent usw. Der fünfte Teilnehmer einer Organisation zahlt insgesamt nur noch 20 Prozent. Und der sechste? Gratis. For Free.
Wie wäre es mit einer Einsteiger-Karte zum ermäßigten Preis (2 Jahre nach Abgang von der Fundraising-Akademie voller Zugang zum halben Preis)? Oder wie ist es mit einer Studenten-Karte?
Das wären einige Möglichkeiten, Teilnehmerinnen und Teilnehmer zurückzugewinnen bzw. neu in die Branche einzuführen.
Kosmetik allein reicht nicht
Wir glauben nicht daran, dass der Umzug nach Berlin viel ändern wird. Wir halten diesen Umzug für eine richtige Entscheidung. Aber es wird an der Schwäche des Kongresses nichts ändern. Wir stellen die grundsätzliche Frage an das Geschäftsmodell. Wenn das Geschäftsmodell nicht mehr stimmt, ist alles andere nur Beiwerk und führt nicht zwangsläufig zu besseren Ergebnissen.
Auch einzelne Innovationen wie die Table Sessions (gelungen, Lob an SWOP), können das Problem leider nicht lösen. Denn die sind immer nur so gut wie das Geschäftsmodell, in welches sie eingepasst sind.
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