Querschnitts-Studie von 5 politischen Großspendern

von Ehrenfried Conta Gromberg


Großspender zu recherchieren, können Sie aus zwei Gründen tun:

A) um potenzielle GroßspenderInnen für eine Ansprache zu finden
B) um zu üben und Ihr Gespür zu schulen

Die folgende kleine Großspender-Studie als Experiment

Zu sehen, wie Großspender in der Realität handeln, schärft Ihr Gespür, wer wie viel warum in welcher Situation gibt. Das Experiment soll zeigen, was als Ergebnis herauskommen kann, wenn Sie ca. 4 bis 6 Stunden investieren.

Gutes Übungsfeld

Die Erstrecherche erfolgte auf einer Internetseite, die jedem Fundraiser offen steht: die Website des Deutschen Bundestages. Seit der Reform des Parteispendengesetzes 2002 hat jede politische Partei in Deutschland die Auflage, jede Spende über 50.000 Euro anzuzeigen. Diese werden dann zeitnah hier veröffentlicht.

Geschlossenes Großspenderbiotop

Die Seite des Deutschen Bundestages ist für GroßspendenfundraiserInnen aus drei Gründen ein schönes Übungsfeld:
1.) Die Seite ist eine seltene Quelle, bei der Spendenziel, Spendenhöhe, Spendendatum an einem Ort einzusehen sind.
2.) Da alle Parteien erfasst sind, sind dort seit 2002 ALLE politischen Großspenden erfasst. Also ein vollständiger Querschnitt durch ein Thema seit 14 Jahren. Ich kenne in Deutschland kein anderes Trainingsfeld, bei dem Sie mit wenigen Klicks alle GroßspenderInnen zu einem Thema über alle miteinander konkurrierenden Organisationen nebeneinander erhalten. Was würden GroßspendenfundraiserInnen dafür geben, eine solche Datei für den Umweltschutz, Tierschutz, Kunst oder andere Themen zu haben …
3.) Durch die Jahrgänge bekommen Sie schnell ein Gefühl, was Großspende im politischen Umfeld über die Jahre hinweg bedeutet. Gleich vorweg: Die Bäume wachsen nicht in den Himmel. 100.000 Euro sind in Deutschland im politischen Bereich schon eine Ausnahmespende.

Was habe ich im Experiment getan?

Zunächst habe ich für Sie 5 Personen herausgesucht, die private Spitzenspender für jeweils eine andere politische Partei waren. Also möglichst unterschiedliche Positionen, damit in den Spender-Typen auch Unterschiede sichtbar werden können. Ausgeschlossen habe ich Firmenspenden oder Institutionen (nicht, weil ich gegen diese Spenden bin, sondern weil Firmen-Steckbriefe umfassender und schwieriger sind).
Im zweiten Schritt habe ich an einem Nachmittag aus im Internet öffentlich zugänglichen Quellen einen Steckbrief der Spitzenspender erstellt. Arbeitsthese: Politische Parteien unterscheiden sich. Wenn Spender wegen Werten geben (These), dann müssten sich die Top-Spender der verschiedenen Parteien in der Persönlichkeit unterscheiden.
Mal sehen, ob wir das erhärten können.

Disclaimer – nicht zur Veröffentlichung freigegeben

Dies ist ein Experiment. Die folgenden Angaben sind nicht für eine weitere Veröffentlichung freigegeben. Übernehmen Sie die Angaben nicht. Wir garantieren weder für Vollständigkeit noch für Richtigkeit. Nicht jede Detail-Quelle ist referenziert, da es sonst zu unübersichtlich würde. Der Steckbrief der Personen ist zusammengesetzt aus Informationen, die im Internet öffentlich zugänglich sind. Die Aussage zum Spender-Typ ist meine persönliche Meinung.

5 Politische Top-Privatspender


Ein Top-Spender der Christlich Demokratischen Partei Deutschland (CDU)

Die CDU ist das Schwergewicht beim Spendensammeln in Deutschland. Wir lassen einmal Susanne Klatten, Johanna Quandt und Stefan Quandt beiseite (diese drei spenden der CDU – aber nicht nur der CDU – regelmäßig meist am gleichen Tag gleichhohe Beträge in beträchtlicher Höhe). Nach diesen drei war bis 2010 Prof. Dr. h.c. Hermann Schnabel einer der privaten CDU-Topspender.
Er spendete in 4 Jahren 1 Millionen Euro auf 6 Großspenden verteilt:
200.000 Euro am 06.08.2009
200.000 Euro am 23.06.2009
100.000 Euro am 01.02.2008
100.000 Euro am 31.01.2008
200.000 Euro am 11.07.2007
200.000 Euro am 16.09.2005
Prof. Dr. h.c. Hermann Schnabel, Hamburg

  • Hamburger Milliardär, gestorben 2010.
  • Einer der ca. 30 Hamburger Superreichen.
  • Kaufte 1959 die Handelsfirma Helm und baute sie zur Helm AG aus.
  • Geschäftsmann, Kunstsammler, Spender.
  • Sammelte Briefmarken und Gemälde. Hatte u.a. eine blaue Mauritius.
  • Spendete für die Hamburgische Staatsoper, die Musikhochschule Hamburg, das Ballett-Zentrum von John Neumeier, Hagenbecks Tierpark, die CDU, die TU Harburg und andere.

Spender-Typ
Hermann Schnabel sagte 2007, dass jeder, der in seinem Leben etwas Glück gehabt hat, für seine Stadt etwas tun sollte.(1) Damit der Spender-Typ „Rückgeber“ (= ich habe selbst viel bekommen, deshalb kann ich geben). Seine Regelmäßigkeit zeigt einen hohen Organisationsgrad. Herman Schnabel war kein Impuls-Spender und repräsentiert den „hanseatischen“ Kaufmann.


Ein Top-Spender der Sozialdemokratischen Partei Deutschland (SPD)

Die SPD ist gegenüber der CDU bei privaten Großspenden ein Mauerblümchen. Es gibt kaum Privatpersonen, die hohe Beträge spenden. Die Topspende, die ich herausgesucht habe, kommt gerade einmal knapp über die 50.000er Grenze:
64.134 Euro
am 31.12.2006
Ralf Pollmeier, Creuzburg

  • Der Unternehmer ist geschäftsführender Gesellschafter der Firma Pollmeier Massivholz mit 800 Mitarbeitern, einem großem Sägewerk mit diversen Standorten.
  • Ralf Pollmeier kommt aus eine sozialdemokratisch geprägten Familie.
  • War 2007 Vorsitzender des SPD Orstverbandes Bad Salzungen.
  • War Landesschatzmeister der Thüringer SPD.
  • Kämpfte gegen Neuverschuldungen.
  • Deckte die Korruptionsaffäre im Trink- und Abwasserverband Eisenach – Erbstromtal (TAV) auf.
  • Später von der Politik auf SPD-Kreisverbandsebene eher enttäuscht.

Spender-Typ
Der Engagierte, der an Politik glaubt(e). Mit politischen Wurzeln. Zugleich ein Haushalter, der das Geld sauber eingesetzt wissen will. Ein Pragmatiker, der von Klüngelei nicht viel hält.


Ein Top-Spender der Freien Demokratischen Partei Deutschland (FDP)

Höhe 200.000 Euro
am 24.11.2015
Dr. Lutz Helmig, Grebenhain

  • Milliardär.
  • Gründer der Helios-Kliniken.
  • Verwaltet sein Vermögen über eine Holding.
  • Ist an einer Reihe von Firmen beteiligt.
  • Lutz Helmig spendete an verschiedenen Stellen. Unter anderem übernahm er 2013 die kompletten Schulden von 2,1 Mio Euro der Hessischen Kommune Grebenhain, seines Wohnortes. Seine Auflage: Die hessische Kommune durfte drei Jahre lang keine neuen Schulden aufnehmen.

Spender-Typ
Ähnlich wie Hermann Schnabel ein „Rückgeber“, aber nicht ganz so konservativ. Zugleich ein Einmischer. Er will etwas bewirken und gibt deshalb durchaus auch einmal eine Auflage, die erfüllt werden muss, wenn die Spende angenommen wird. Auch bei ihm ist der Haushalter zu erkennen, es blitzen in seiner Biografie aber einige impulsive, verwegene Momente auf.


Die größte Spende bisher an Bündnis 90 / Die Grünen

Höhe 300.000 Euro
am 23.02.2016
Jochen Wermuth, Berlin

  • In den USA geboren und dort studiert.
  • Lebt heute in Deutschland.
  • Berliner Vermögensberater.
  • Chief Investment Officer of Wermuth Asset Management, einem Familiy Office.
  • Anlageberatung für nachhaltige Investitionen.
  • Berät u.a. die russische Regierung.
  • Verheiratet mit einer russischen Umweltschützerin.
  • Greenpeace Förderer seit 1992.
  • Wollte, dass die Grünen in Baden-Württemberg März 2016 gewinnen. Möchte, das die neue Industrierevolution (hin zu den erneuerbaren Energien) an Deutschland nicht vorbeigeht. Ärgert sich, dass die anderen Parteien bei Elektroautos keine Akzente setzen. Winfried Kretschmann machte in seinen Augen eine recht mutige und ordentliche Politik. Deshalb zweckgebundene Spende für den Wahlkampf in Baden-Württemberg. Es war die größte Spende, die die Grünen je erhielten und sie nahmen die Zweckbindung an. Winfried Kretschmann gewann die Wahl souverän. Jochen Wermuth hatte vor der Spende keinen Kontakt zu Winfried Kretschmann und kannte ihn nur aus den Medien.

Spender-Typ
Ein Visions-Spender. Er hat klare Ziele und setzt sein Geld strategisch ein, um die Werte, die er sich vorstellt, voranzutreiben. Dabei sucht er nach einem möglichst starken Wirkhebel (Impact). In diesem Falle den Gewinn einer Wahl. Es geht ihm nicht um Macht aber um Wirkung.


Die größte Spende an die Marxistisch-Leninistische Partei Deutschlands (MLPD)*

Höhe 252.400 Euro
am 22.10.2015
Helmut Klamser, Oberhausen

  • Pensionierter Lehrer.
  • Durch den Vietnam-Krieg politisiert.
  • Später in die Arbeiterbewegung gegangen. Aktiver Gewerkschafter (GEW).
  • Moderiert seit Jahren die Oberhausener Montags-Demos: „Weg mit Hartz IV“.
  • Mitorganisator des Antikriegstages 2014 in Oberhausen.
  • Die 250 TSD stammen aus dem Nachlass seiner Frau.

Spendertyp
Ein Überzeugter und Aktivist. Glaubt daran, dass der Marxismus die beste Lösung für die Welt ist und die MLPD eine Partei, die sich im Gegensatz zu den anderen, um die Arbeiter kümmert. Lebt ansonsten sehr bescheiden und genügsam. Ähnlich den calvinistisch geprägten SpenderInnen im kirchlichen Bereich.
* Besonderheit: Bei der MLPD lassen wir den eigentlichen größten Spender, Michael May, einmal außen vor. Er spendete zwischen 2005 bis 2008 insgesamt über 3 Millionen Euro an die MLPD und ist damit der größte politische Privatspender seit 2002 überhaupt. Dies ist aber so außergewöhnlich, dass wir diese Spende nicht genommen haben.


Experiment gelungen?

Bei unserem Experiment habe ich einen Nachmittag investiert. Also ein halber Arbeitstag eines Fundraisers. Es lagen mir nach dieser Recherche-Einheit mehr Informationen vor, als ich hier im Blogartikel darstellen kann. Angenommen, ich würde einen Report fertigen, würden es aber die oben genannten Stichworte sein, die dort aufgeführt wären. Viel mehr würde ich anderen nicht zumuten.
Urteilen Sie selbst
Stellen Sie sich die folgende Situation vor: Sie hätten nur die Zeit für einen einzigen Kontakt. Wenn sprechen Sie an? Helfen Ihnen diese Informationen, um die Entscheidung zu treffen? Oder direkt vor dem Gespräch: Helfen Ihnen diese (wenigen) Informationen, mit einer höheren Sicherheit in ein Gespräch zu gehen? Wenn ja: Die Zeit hat sich gelohnt. Wenn nein: reisen Sie mit leichterem Gepäck.

Fazit Gebepsychologie

Jeder GroßspenderIn ist anders, hat andere Hintergründe und andere Motive. Das ist die Hauptlektion, die jeder Großspendenfundraiser lernen muss.
Spannend für mich ist, dass dies bereits bei einer kleinen Stichprobe von 5 Spendern klar erkennbar wird. Männer sind bei Parteispenden in der Überzahl. Davon abgesehen: Verschiedene Wertesysteme führen zur Wahl verschiedener Parteien. Obwohl die fünf Spendersteckbriefe oberflächlich sind, spiegeln sich in den wenigen Angaben bereits die Werte der Spender wieder. In meinen Augen reicht eine Vorbereitung in dieser Qualität, um Gespräche besser führen zu können.

Fazit Großspendenhöhe

Der Blick auf die Großspenden der politischen Parteien dämpft überbordende Phantasien bei möglichen Spendenhöhen.
Die politische Spende unterscheidet sich zwar in der Psychologie von anderen Spendengattungen, ich behaupte aber: So unterschiedlich sind die Zahlen an anderer Stelle auch wieder nicht. Ich kenne kein Gebiet, in dem es ständig Spenden 250 TSD aufwärts hagelt. Daher eine nüchterne Einschätzung: Großspende heißt in Deutschland bei großen Organisationen in der Regel 50.000 bis 150.000 Euro. Darüber gibt es in Sternstunden eine „Großklasse“ von mehr als 1 Mio. Dies ist aber so selten gesät, dass man als Fundraiser sehr vorsichtig sein sollte, dies in einer Zielplanung vorauszusetzen. Faustformel: Goal-Charts oben bei 100.000 bzw. 200.000 begrenzen, wenn man keinen begründeten Hinweis auf höheres Potenzial hat. Kleine Organisationen müssen ohnehin tiefer ansetzen.


Quellen
• www.bundestag.de
Veröffentlichung von Spenden, die die Höhe von 50.000 Euro übersteigen
Diverse Internetseiten / Artikel, die nicht alle genannt sind. Darunter:
(1) Das Zitat im wortlaut finden Sie im Artikel: Die Welt, 10.10.2007, Albert Einstein in der Technischen Universität, anlässlich der Übergabe eines Gemäldes von Albert Einstein an die TU Harburg
• Wikipedia
• Website des SPD Orstverbandes Bad Salzungen
• Diverse Artikel des Spiegels, u.a. Grüne kassieren Rekordspende von 300.000 Euro von Annett Meiritz, 01.03.2016
• WAZ, Ex-Lehrer aus Oberhausen spendet 252.400 Euro für die MLPD, 06.01.2016