Wie spricht man Förderer auf eine Testamentsspende an?
Im folgenden analysieren wir einen Text eines der erfolgreichsten Erbschafts-Fundraising Teams in England, das Tate Legacy Team der Tate Gallery.
Hintergrund zum vorgestellten Text
Die Fundraiser von Tate sind nicht nur bei Legaten sehr gut. Tate ist eine der bekanntesten Museumsmarken der Welt und beherbergt, obwohl eine eigenständige, von Henry Tate privat gestiftete Organisation, die Nationalsammlungen des Vereinigten Königreichs.
Heute hat Tate vier Standorte:
- zwei in London (Tate Britain und Tate Modern)
- einen in Liverpool (Tate Liverpool)
- einen in St. Ives (Tate St. Ives)
Im Juni 2016 eröffnet das neue Tate Modern in der ehemaligen Industrieanlage Bankside Power Station. Für den Bezug des Gebäudes lief eine der größten englischen Kapitalkampagnen. 2011 gab Tate bekannt, das 70 % des benötigten Kapitals von 215 Millionen Pfund durch Großspenden vorlagen, 2012 wurden erste Teile des Gebäudes geöffnet, im Juni 2016 wurde das gesamte Tate Modern inklusive des neuen Anbaus eingeweiht.
Überschattet wurde dieser Erfolg durch den Tod, einer der erfolgreichsten Fundraiserinnen in England, Rebecca Williams. Sie starb im April diesen Jahres im Alter von nur 44 Jahren. Sie hatte als Head Fundraiser von Tate drei Kapitalkampagnen verantwortet:
• 45 Millionen Pfund für die Tate Britain Campaign
• 18 Millionen Pfund für die Tate St. Ives Campaign
• 230 Millionen Pfund für das neue Tate Modern
Die Bedeutung von Vermächtnissen für Tate
Vermächtnisse und Überlassungen spielten vom ersten Tag seiner Geschichte für Tate eine zentrale Rolle. Das Museum entstand durch die Überlassung der Privatsammlung britischer Kunst von Henry Tate, die zugleich mit einer bedeutenden Geldgabe verbunden war, um dafür ein eigenes Gebäude errichten zu können.
Drei Fundraising-Ziele können bei Tate beobachtet werden:
• Kunstwerke für die Sammlung (Sachspenden)
• Geld zum Kauf neuer Kunstwerke
• Geld für die Arbeit von Tate (Gebäude, Ausstellungen, etc.)
1957 wurde der Freundeskreis Tate Members gegründet, der Stammbesucher stärker mit dem Museum verbindet und es zu „ihrem“ Tate macht. Dieser Museums-Club hat eine ausgeklügelte Logik. Tate Member haben mit ihrer Membership Card freien Zutritt zum Museum, Zugang zum Members Room und eine Reihe anderer Vorzüge.
Neben den Tate Members gibt es die Tate Patrons, die u.a. bei Neuanschaffungen der Sammlung angesprochen werden. Knapp 400 Exponate konnten so über Spenden erworben werden, darunter Meisterstücke von Picasso, Moore, Matisse.
Viele Tate Förderer sind „normale“ SpenderInnen. Aber nicht nur. So gibt es den The 1897 Circle (1897 ist das Gründungsdatum von Tate), in den Menschen aufgenommen werden, die eine Testamentsspende zugesagt haben. Wer dies möchte, wird vorbildhaft als Mitglied des Circles auf der Website genannt. Im Juli 2016 standen dort 36 Namen (5 Ehepaare, 9 Frauen, 22 Männer) und dies ist nur ein Teil des Circles, da andere annonym bleiben wollen und dies selbstverständlich respektiert wird.
Fundraising-Struktur von Tate
In dem Menü der Website Join & Support spiegelt sich die Gesamtstruktur des Fundraising von Tate gut wieder:
- Tate Members
- Tate Patrons
- Donate to Tate
- Leave a legacy
- Corporate Support
Die fünf „stehende“ Säulen (Förderkreis, Patronate, Spenden, Erbschaften, Firmen-Kooperationen) werden flankiert von den Kapitalkampagnen, wie oben beschrieben. Deutlich ist, dass der Bereich „Legacy“ eine große Rolle spielt, sonst hätte er keinen eigenen Menüpunkt bekommen. Auf diesen Bereich konzentrieren wir uns.
Der zu analysierende Text
Wir analysieren die erste Seite (leave a legacy), die ein potentieller Spender findet, wenn er auf Google „Tate + Legacy“ eingibt (Stand 9. Juli 2016). Der englische Originaltext kann dort gefunden werden. Die deutsche Übersetzung und Kommentierung stammt von Ehrenfried Conta Gromberg, Passagen in Klammer sind Originalbegriffe. Der Text ist der Türöffner in das Thema und wird mit hoher Wahrscheinlichkeit von allen Interessenten am Thema „Erbschaft für Tate“ gelesen, die sich im Internet vorinformieren.
Sehen wir uns an, wie das Tate-Team diesen Text gestaltet hat:
Leaving a legacy to Tate
Eine der wichtigsten Entscheidungen, die Sie jemals treffen werden, ist die Wahl, wen Sie in Ihrem Testament bedenken (is choosing who to include in your Will).
Das Tate Fundraising-Team macht keine Umwege. Beim Thema „legacy“ steht kein Satz über Sterben, Ewigkeit oder andere emotionale Floskeln. Auch die Höhe des Vermächtnisses spielt in keiner Form eine Rolle. Das Fundraising-Team konzentiert sich auf eine einzige zentrale Aussage:
Sie entscheiden, WER in Ihrem Testament bedacht wird.
Das ist ein sehr klarer und cleverer Schachzug.
• Das Tate-Team stellt die Frage: WER kommt in Ihrem Testament vor?
• Das WER ist kein Automatismus, sondern eine Entscheidung.
Damit steht die Entscheidung des Verfügenden im Vordergrund. Tate setzt auf die Wahlfreiheit des Förderers: Er kann und darf entscheiden, wer in seinem Testament vorkommt. Das müssen nicht nur Angehörige sein, Tate hat dort auch Platz (und damit ein gesellschaftliches Anliegen).
Wenn Sie sich entscheiden, eine Testamentsspende (legacy gift) für Tate zu hinterlassen, übernehmen Sie eine wichtige Rolle für die Sicherung und Stärkung der Zukunft von Tate.
Ein kleine Formulierung mit großer Bedeutung:
Das Tate Team gebraucht an dieser Stelle den Begriff „legacy gift“, die kleinere Münze von „legacy“, ich übersetze dies in Deutsch am liebsten mit dem Wort „Testamentsspende“.
Im Erbschaftsfundraising ist dies ein alter Diskussionspunkt: Wie nennt man das Ganze? Auch Tate verkürzt im Menü und in der First-Level-Überschrift auf „legacy“. Das Problem dabei: Der „große“ Begriff „Erbschaft“ intendiert immer, dass es einer Organisation um das GANZE Erbe geht. Das ist aber nicht das Ziel. Es geht in der Regel um ein Teil des Erbes (juristisch „Vermächtnis“).
Das Fundraising Team von Tate adressiert das hier im Text sofort richtig. Es geht nicht um eine Ersetzung der bisherigen Erben, sondern um die zusätzliche Aufnahme eines Vermächtnisses in das Testament. Aus diesem Grunde raten wir immer zu dem Wort „Testamentsspende“, es öffnet die Phantasie für eine Vielzahl von „kleineren“ Zuwendungen rund um die Erbschaft.
Wenn Sie sich entscheiden, eine Testamentsspende (legacy gift) für Tate zu hinterlassen oder wenn Sie einfach nur Ihre Möglichkeiten mit uns besprechen (discuss) wollen, würden wir uns freuen, von Ihnen zu hören.
Das Thema ist gesetzt, nun streckt das Tate-Team die Hand aus und versucht das Schweigen auf der anderen Seite in eine Gesprächsbereitschaft zu wandeln. Wir freuen uns über jeden Kontakt zum Thema.
Wen Sie in Ihrem Testament bedenken, ist eine sehr persönliche und private Angelegenheit. Aus diesem Grunde haben wir ein auf diese Fragen spezialisiertes Team (dedicated staff), mit dem Sie vertraulich über Ihre Pläne sprechen können. Wenn Sie uns über Ihre Absichten informieren, können wir uns persönlich bei Ihnen bedanken. Auch können wir Ihnen bei allen Formalitäten helfen, Ihnen die unterschiedlichen Möglichkeiten von Vermächtnissen erklären und Sie in unseren Erbschafts-Club (legacy club) willkommen heißen, dem „1897er Kreis“ (The 1897 Circle).
Damit ein Gespräch beginnt, werden zwei Dinge getan:
A – es wird um Vertrauen geworben
B – es wird erklärt, warum es Sinn macht, darüber zu sprechen
Der Nutzen eines Gespräches mit Tate wird auf drei Ebenen herausgearbeitet:
1 – Wer nur sein Testament hinterlässt, wird den Dank nicht persönlich hören. Denn man ist vorher gestorben. Was für eine Verschwendung. Wer später gibt, darf bereits zu Lebzeiten ein „Danke“ hören.
2 – Tate unterstützt bei ganz praktischen Fragen und kann Gestaltungsmöglichkeiten bei der Abfassung des letzten Willens aufzeigen.
3 – Wer sich zu Lebzeiten meldet, wird Mitglied des exklusiven „1897 Circle“ und damit Mitglied in einer kleinen Gemeinschaft. Besonders der „1897 Circle“ gefällt. Ein hochwertiges Angebot, nicht gebunden an die Höhe der Spende, sondern an die Form der Testamentsspende.
Jede Information, die Sie uns geben, wird streng vertraulich behandelt und bindet Sie in keiner Weise, uns in irgendeiner Form zu bedenken. Wenn Sie Tate bereits in Ihrem Testament mit einer Spende berücksichtigt haben, würden wir uns sehr freuen, von Ihnen zu hören. Sie können uns darüber einfach informieren, in dem Sie unser Gebe-Formular (pledge form) dazu herunterladen, es ausfüllen und dann an uns senden.
Der Call to Action ist sehr verhalten und doch absolut konkret. Nachdem noch einmal auf die strenge Vertraulichkeit und Unverbindlichkeit hingewiesen wird, skizziert der Text ganz praktisch, wie man sich bei Tate mit seinen Fragen oder seinem letzten Willen meldet. In England ist der Weg über ein „pledge form“ wohlbekannt. In Deutschland kann es Sinn machen, hier andere Wege zu gehen bzw. einen eigenen Begriff zu schaffen. Es gibt bisher bei uns keine gute Übersetzung für „pledge form“ und die Verkürzung nur auf das Wort „Formular“ ist etwas unpersönlich.
Fazit
Dieser kurze Anmoderationstext auf der Website von Tate ist ein schönes Beispiel für ein Fundraising-Team, das weiß, was es tut, den richtigen Ton trifft und sehr konkrete Wege weist. Das Beispiel zeigt, dass die Ansprache auf ein Vermächtnis gelingen kann: Stilistisch, taktisch und auf Augenhöhe. Höchstpunktzahl.