von Ehrenfried Conta Gromberg
Das Fundraising verändert sich. Ein Grund dafür sind die Veränderungen in der Kommunikation. Was tut sich dort? Und warum schlägt „Page“ vor, das Berufsbild „Designer“ in „Design-Manager“ umzutaufen? Gedanken über die wachsenden Herausforderungen in der Fundraising-Profession.
Kommunikation in den 80er Jahren
Früher war alles einfacher. Wer Kommunikation oder Marketing verantwortete, hatte einen übersichtlichen Baukasten. In der Titelstory der Februar Ausgabe von Page (02/10) wurde die Veränderung in der Design- und Werbebranche in den letzten 30 Jahren skizziert. Kurz und knapp stand dort unter dem Stichwort
„Design und Werbung in den 80ern“:
- Presse (gemeint waren vor allem Anzeigen)
- Kino
- Direktmarketing
- TV
- Radio
- Plakate
Das sind 6 große Bereiche.
Sozialmarketing war damals innovativ
Im Gegensatz zu dieser Dinosaurier-Klaviatur der Werber, startete das Sozialmarketing in den 80ern vor allem mit zwei Kommunikationsformen: PR und Direktmarketing. Für alles andere fehlte den NPOs das Geld. Während die Werber früher überall direkt massiv Flächen einkauften (daher der Begriff „Werbedruck“), galt es im Sozialmarketing schon damals, mit kaum sichtbaren Etats, Vertrauen zu gewinnen. Fundraiser waren aufgrund von Geldmangel innovativ. Fundraiser hatten die besseren Themen und sehr häufig die besseren Kontakte zu Menschen. PR und Direktmarketing waren ein gutes (innovatives) Gespann, um das zu nutzen.
Dann kam die Zersplitterung der Fernsehlandschaft, dann kam die Digitalisierung, dann kam das Internet in der Massenanwendung, dann kamen die Mobiles, die sich inzwischen in allen Formen und Größen (seit dem iPad auch in der Luft drehbar) präsentieren, dann gingen die Menschen nicht mehr gerne an den Briefkasten – und die einfache Welt der 6 Medientypen war vorbei.
Kommunikation 2010
Unter dem Schlagwort „Design und Werbung 2010“ ist im gleichen Page-Artikel eine Bilanz des heutigen Medien-Arsenals zu finden:
- Presse (gemeint ist Anzeige / Print)
- PR = Public Relations in allen Facetten
- Augmented Reality (Überlagerung der Wirklichkeit mit Zusatzinformationen)
- Radio
- Online Radio
- Digital Radio
- Kino
- Web Video
- Satelliten Fernsehen
- Digitales Fernsehen
- Viral Videos
- Homepage
- Microsites
- Search Ads
- Online Banner / Displays
- Social Network Profiles
- Blogging + Microblogging
- E-Mail Marketing
- In Game Advertising
- Mobile Advertising
- Mobile Apps
- Poster
- Digital Billboards
Mulitplikation der Kommunikation und Verlust der Randschärfe
Dies sind 24 Bereiche im Gegensatz zu den 6 vorher genannten. Auch wenn die Aufzählung vielleicht nicht überall randscharf ist, stimmt die Dimension der Veränderung: Es gab eine Vervierfachung der Anzahl der Medien-Typen innerhalb der letzten Jahre!
Randschärfe bei der Beschreibung der Medien ist ohnehin nicht mehr gegeben. Gab es früher wenige Querverbindungen zwischen den klassischen Medien, so fließen heute die Gattungen ineinander. Spätestens wer sah, wie Steve Jobs bei der Präsentation des neuen iPads die NewYork Times auf dem Bildschirm liest, mit dem Finger auf weiterführende Links tippt oder Filme startet, ahnt wohin die Reise geht. Harry Potters sprechende Bilder in Büchern sind da schon fast eindimensionale Gesellen. Es gibt also immer mehr Bildformate, Papierformate, Anzeigenformate, Sendeformate. Alles beginnt zu sprechen, singen und sich zu bewegen. Jeder verbrüdert sich mit jedem, was noch nicht bedeutet, dass dadurch auch schon alles angesagt ist.
Zunächst einmal die tröstende Nachricht
Alle haben mit der Vervielfältigung der Medien Kopfschmerzen. Nicht nur im Sozialmarketing wird gerätselt, in welche Medien Geld investiert werden soll. Normale Firmen schafft es nicht mehr, alle Medien gleichzeitig abzudecken. Bündeln, konzentrieren und sich mutig auf Teilbereiche fokussieren. Das wird ein Teil der neuen Wirklichkeit sein. Dadurch nimmt mit immer mehr Medien-Subsystemen der Entscheidungsdruck zu. Welches Medium und welche Technik nutze ich? Das verunsichert sogar hartgesottene Werber (bzw. die etwas „weicheren“ Designer). Eine Reaktion von Page ist der Vorschlag, das Berufsbild des Mediendesigners zu reformieren und ihn (oder einen Teil davon) am besten zu einem Designmanager zu machen. Originalzitat: „Dieser agiert an der Schnittstelle von Technologie, Design, Management und Marketing und sorgt dafür, dass so etwas Abstraktes wie eine Marke oder Innovationsdenken im Unternehmen verankert wird.“ Ersetzen Sie das Wort „Unternehmen“ gegen das Wort „Organisation“, könnte das eine sehr gute Umschreibung des Leiters Sozialmarketing / Fundraising sein.
Was wäre die parallele Forderung im Sozialmarketing?
Den Fundraiser zum Fundraising-Medien-Design-Manager aufzurüsten?
Also eine Technisierung des Berufes?
Oder übersehen wir etwas?
Die Menschen verändern sich mit
Klar ist: Im Sozialmarketing stehen alle neuen Medien – vielleicht bis auf „In Game Advertising“ – ebenfalls vor der Türe und klopfen an. Das ist eine Herausforderung. Es wird in Zukunft nicht mehr ausreichen, den einen oder anderen Journalisten zu kennen und fleißig postalische Adressen zu sammeln. Eine Reaktion wird ein komplexeres technisches Getriebe sein. Zweifelsohne. Spendwerk beschäftigt sich gerade intensiv mit Schnittstellen aller Art. Technische Schnittstellen lösen aber nur die eine Hälfte der Herausforderung. Denn es geht bei der Veränderung in der Kommunikation nicht nur um Technik. Es geht vor allem um die Menschen. Und diese verändern sich mit der sich verändernden Technik.
Menschen sind nicht mehr vorhersehbar
Gewöhnen müssen wir uns daran, dass die Menschen nicht mehr „antreffbar“ sind. Ein Beitrag in einem Fernsehsender trifft nur auf eine kleine Gruppe von Zuschauern, eine Website zieht nur ganz bestimmte User in ihren Bann und wer im Bereich der Mobiles an Massenkommunikation denkt, hat es in der Praxis noch nie versucht. Je nach Alter und Vorlieben sammeln sich kleine Gruppen um verschiedene Medien oder nutzen sie gerade nicht. Kommunikation wird immer mehr wie ein Lego-Spiel. Viele Bausteine müssen immer wieder neu auseinandergenommen und zusammengefügt werden. Es muss fokussierter mit kleineren Bausteinen in kleineren Gruppen gearbeitet werden.
Grundsatz-Systeme und Grundsatz-Entscheidungen
Fundraiser müssen sich bei diesem neuen Spiel mit den Medien abfinden, dass sie nur eine bestimmte Anzahl der „Lego-Steine“ zugleich bedienen können. Irgendwann stehen sie zusätzlich vor einer grundlegenden Entscheidung: Kommuniziere ich rein „medial“ also über eine Vielzahl von Schnittstellen mit immer kleiner werdenden Gruppen? Oder gehen ich verstärkt in den direkten persönlichen Kontakt (z.B. regionales Fundraising)? Das ist einen Gedanken wert, denn es gibt bei der Zersplitterung der Medien nicht nur den Gewinner Internet. Auch der Direktvertrieb (wir sprechen von Tupperware & Co) oder der guten persönliche Service (die Renaissance lokaler Heros) sind Gewinner. Was passiert in den Wohnzimmern, in die sich die Menschen vor lauter Überforderung zurückziehen? Deshalb trifft der Slogan: „Die Zeit der Mailings ist vorbei, jetzt kommt das Internet“ zu kurz. Wir stehen in einem technischen Umbruch und in einem psychischen Umbruch zugleich. Die immer kleiner werdenden Gruppen von Menschen befinden sich nicht alle im Internet. Und wenn sie in Social Networks stecken, dann heißt dieses nicht unbedingt Facebook. Und wenn diese Menschen geben, warum geben sie eigentlich?
Wenn wir im Sozialmarketing in den 80ern einen Schritt weit voraus waren und mit weniger Geld mehr als die Werber erreichten, ist heute die Frage zu stellen, wie Fundraiser im gewachsenen Kommunikationsfeld nach wie vor mit weniger Geld vorne bleiben. PR und Direktmarketing können die anderen inzwischen auch. Die besseren Themen haben wir immer noch. Haben wir aber nach wie vor die bessere Nase und den besseren Draht zu den Menschen?