von Ehrenfried Conta Gromberg

Fallstudie über eine der erfolgreichsten Kampagnen zur Stiftungsgründung einer Kirchengemeinde in der EKD 2010/2011.

Wie die St.-Paulus-Kirchengemeinde in Buxtehude ihre Stiftung so gründete, dass die gesamte Gemeinde hinter der Stiftung stand, dass das ursprüngliche Gründungskapital von 120.000 Euro nahezu verdreifacht wurde und dass sie auch noch den Sonderpreis der Jury des 4. Fundraisingpreises der Evangelisch-lutherischen Landeskirche Hannovers gewann.

Ausgangssituation

Zwei Ereignisse ermutigten die St.-Paulus-Kirchengemeinde in Buxtehude, 2009 über die Gründung einer eigenen Stiftung nachzudenken. Zum einen hatte die Kirchengemeinde gerade ein Gebäude verkauft. Aus dem Erlös standen 120.000 Euro als mögliches Kapital für eine Stiftung bereit. Zum anderen lief in der Evangelisch-lutherischen Landeskirche Hannovers ein Bonifizierungsprogramm für Stiftungsneugründungen. Für jeden bis zum 29. Mai 2011 gewonnenen Euro für eine neu gegründete Stiftung schoss dieses Programm weitere 30 Cent zu.
Beide Faktoren machten die Entscheidung leicht: „Wenn nicht jetzt, wann dann?
Anders als andere sein, führt zum Erfolg
Von diesem Augenblick an handelte die St.-Paulus-Kirchengemeinde anders als viele andere. Denn sie tat nicht das Naheliegende. Sie gründete nicht einfach mit den zur Verfügung stehenden 120.000 Euro eine Stiftung, sondern sie rief bei Spendwerk an und fragte, wie man aus dieser an sich guten Ausgangssituation noch mehr machen könnte.

Erfolgsbaustein Nr. 1 – frühe Entscheidung und mutige Ziele

Dieser Anruf erfolgte Ende 2009. Der frühe Anruf war eine wesentliche Voraussetzung für den Erfolg der späteren Kampagne: Es gab genug Zeit, um in Ruhe zu planen und vorzubereiten. Der erste Schritt war ein gemeinsamer Workshop, bei dem der Kirchenvorstand sich beraten ließ, wie eine Stiftungsgründungs-Kampagne am besten aufgebaut wird.
Das Ergebnis war eine mutige Investitionsentscheidung und eine klare Zielvorgabe: 30.000 Euro sollten in eine Stiftungs-Gründungskampagne investiert werden. Mit diesem Einsatz sollten die als Stiftungskapital vorhandenen 120.000 Euro verdoppelt werden.

Erfolgsbaustein Nr. 2 – professionell investieren

Die Aufgabe war also klar: Es galt, eine Gründungskampagne zu entwickeln, die inklusive aller Materialien, Schulungen und Maßnahmen maximal 30.000 Euro kosten durfte und mit der idealerweise 120.000 Euro an Zustiftungen gewonnen werden sollten. Das Ergebnis der Kampagne übertraf mit 190.000 Euro Zustiftungen und 40.000 Euro Bonifizierungsgeldern die Erwartung um 100 Prozent. Die Gründe für diesen Erfolg bestanden in einer Reihe von Erfolgsbausteinen und in einer Kirchengemeinde, die zur Bestform auflief.

Erfolgsbaustein Nr. 3 – unkomplizierte Entscheidungen

Der erste Workshop legte die Basis für einen sehr guten und konstruktiven Austausch mit den beiden Pastoren und der Arbeitsgruppe für die neue Stiftung. Erfolgsbaustein Nr. 3 war (und blieb bis zum Schluss) die unkomplizierte und optimistische Steuerungsgruppe. Sie traf ihre Entscheidungen schnell und nutzte die verbleibende Zeit optimal.

Erfolgsbaustein Nr. 4 – Schaltung einer Gründungsvorphase

Die Steuerungsgruppe traf auch sofort die strategisch wichtigste Entscheidung: Die Gründung wurde so lange wie möglich hinausgezögert. Denn die beste Zeit für das Fundraising ist die Zeit VOR der Gründung einer Stiftung. Da das Bonifizierungsprogramm der Landeskirche  im Juni  2011 endete, wurde die offizielle Gründung der Stiftung auf den 29. Mai 2011 gesetzt. Jeder Tag bis zu dem Termin sollte optimal genutzt werden.

Erfolgsbaustein Nr. 5 – Trennung in drei strategische Phasen

Der nächste Schritt war die Planung und Strukturierung der Gründungskampagne. Wir trennten die Kampagne in drei klar unterschiedene Phasen:
1.    Konzeption/Kreation und Vorbereitung bis März 2010
2.    Nicht-öffentliche Phase – März 2010 bis August 2010
3.    Öffentliche Phase – August 2010 bis Mai 2011
Die Steuerungsgruppe wurde darauf „eingeschworen“, dass die wichtigste Phase die zweite – nicht-öffentliche – Phase von März bis August 2010 war. In diesen knapp sechs Monaten vor der Sommerpause sollten möglichst viele Menschen aus dem Kern und dem Umfeld der Kirchengemeinde persönlich besucht und in Einzelgesprächen auf die Kampagne vorbereitet werden. In dieser Zeit galt es, das Fundament für den Erfolg zu legen.
Dabei sollten auch Mit-Gründungsstifter gesucht werden. Die St.-Paulus-Gemeinde würde zwar der Initialstifter sein, aber es sprach nichts dagegen, weitere Gründungsstifter zu der historischen Stunde einzuladen. Gründungsstifter konnten mit Beträgen zwischen 5.000 und 10.000 Euro einsteigen und waren somit für das geplante Ziel der Verdoppelung des Kapitals wichtig. Nach den Sommerferien sollte dann die öffentliche Phase starten.

Erfolgsbaustein Nr. 6 – der Stiftung ein Gesicht geben

Erfolgsbaustein Nr. 6 bestand in gutem Storytelling. Es durfte nicht nur um „eine Stiftung“ gehen. Die neue Stiftung brauchte ein Gesicht und eine Geschichte. Die Recherche im Umfeld der Kirchengemeinde ergab, dass die Gemeinde in einem Punkt bereits besonders war. Sie hatte in einem neuen Gebäude im Kirchhof ein Kirchencafé geschaffen, das „Paulz-Café“. Dieser ungewöhnliche kurze Name „Paulz“ gefiel mir. Er wurde der Keimling für den neuen Stiftungsnamen: „Die Paulz-Stiftung“.  Damit wurde quasi ein erfolgreicher Name auf die Stiftung gezogen und es konnte mit einer bereits gewachsenen Identität gearbeitet werden.
Damit die Stiftung von Anfang an anfassbar und sichtbar war, wurde der Stiftungsrat „Paulz-Rat“ benannt und mit zusätzlichen Aufgaben versehen. Er verlieh zum Beispiel die „Paulz-Plakette“ an die wichtigsten Zustifter (mit Stiftungssummen ab 1.000 Euro). Die Paulz-Plakette wurde zu einem weiteren Anreiz, bei der Gründung etwas mehr zu geben.

Erfolgsbaustein Nr. 7 – der Stiftung ein konkretes Projekt geben

Eine Stiftung ist schwer zu fassen. Daher arbeiteten wir mit einem positiven und konkreten ersten Projekt. Damit der Nachteil einer Stiftung (die geringe Kapitalausschüttung pro Jahr bei wenig Grundkapital) von Anfang an argumentativ aufgefangen werden konnte, wurden alle Projekte auf eine Mindestlaufzeit von 5 Jahren ausgelegt. Damit wurde das ausgeschüttete Geld mehrerer Jahre kumuliert und die Projekte der Paulz-Stiftung erreichten eine beachtliche Größe. Das erste konkrete 5-Jahres-Projekt wurde die Jugendarbeit der St.-Paulus-Gemeinde. Diese war bereits stark und erfreute sich in der Gemeinde und Umgebung einer großen Beliebtheit. Hier folgten wir dem Motto: „Das Starke stärken“ und experimentierten nicht mit Änderungen.

Erfolgsbaustein Nr. 8 – das Kampagnen-Team formen

Als nächstes stand die Gründung eines Kampagnen-Teams an. Der Workshop dazu fand in Buxtehude im besagten Paulz-Café statt. Im Vorfeld waren verschiedene Personen aus der Kirchengemeinde gefragt worden, ob sie sich vorstellen könnten, bei der Stiftungsneugründung zu helfen. 15 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus der Gemeinde kamen zusammen. Darunter waren auch einige neue Gesichter. Im Workshop wurde die Kampagnen-Strategie erläutert.
Dann wurden 100 Gemeindemitglieder ausgewählt, mit denen Vorgespräche geführt werden sollten. Fundraising-Gespräche zu führen war für alle Neuland, daher erhielten alle Teammitglieder eine Kurzschulung und einen Gesprächsleitfaden. Zusätzlich wurden organisatorische Aufgaben verteilt, da es im Gründungsjahr eine Reihe von begleitenden Veranstaltungen geben sollte.

Erfolgsbaustein Nr. 9 – intensive Vorgespräche

Die Unsicherheit der Teammitglieder, wie denn die Atmosphäre in einem Fundraising-Gespräch sein würde, erwies sich  als völlig unbegründet. Das ist eine Erfahrung, die im Fundraising immer wieder gemacht wird. Das Team führte 80 Gespräche. Nahezu alle Gespräche waren sehr positiv und erfolgreich. Die meisten Angesprochenen freuten sich, dass sie vor dem Start der Kampagne ins Vertrauen gezogen wurden.
Dabei kam es aber zu einer Reihe von Überraschungen: „Es spendete eine Reihe von Personen, von denen wir es nicht gedacht hätten und einige, bei denen wir stark davon ausgegangen waren, taten es nicht.“ Flexibel sein ist daher eine Tugend, die Pastor Tietje sich für das Fundraising in Zukunft merken wird.
Eindeutig ist, dass die große Akzeptanz der gesamten Kampagne in der Kirchengemeinde aus diesen Gesprächen folgte und auch ein Teil der Gründungs-Stifter hier gewonnen wurde. Die Vorgespräche mit ausgewählten Gemeindemitgliedern erwiesen sich also als entscheidende Speerspitze für den Erfolg.

Erfolgsbaustein Nr. 10 – die Kampagnen-Dramaturgie

Für die öffentliche Phase wurden Aktionen entwickelt, die ein Veranstaltungsgerüst der Kampagne aufbauten. Der Höhepunkt sollte das Stiftungs-Gründungsfest am 29. Mai 2011 werden. Nun fehlte noch ein griffiger Name für die Kampagne. Die Lösung: „Den Himmel öffnen“. Investiert wurde in eine 16-seitige Stiftungsbroschüre mit dem gleichen Titel.

Erfolgsbaustein Nr. 11 – die Himmlischen Schweine

Die Parallelität verschiedener Handlungsstränge war ein weiterer Grund für den Erfolg der Kampagne: Das meiste Geld sollte von Gründungs-Stiftern und anderen Zustiftungen mit hohen Beträgen kommen (was auch so gelang). Dabei waren die Einzelgespräche entscheidend.
Um auch das Engagement im Bereich der Kleinspenden zu aktivieren, brauchte es aber zusätzlich eine Kleinspenden-Aktion. Hier experimentierten wir nicht, sondern griffen auf Bewährtes zurück, von dem ich wusste, dass es in einer aktiven Kirchengemeinde gut funktioniert.
Es wurden 200 Sparschweine gekauft. Die Schweine hatten kleine goldene Flügel und wurden themengerecht als „Himmlische Schweine“ eingeführt. Diese Schweine standen in der Gemeinde zur Abholung bereit und durften für Aktionen ausgeliehen werden. Das Ziel war, sie gefüllt zurückzubringen. Diese Aktion kam sehr gut an, wie auf der Website der Stiftung nachzulesen ist. Viele Kirchenmitglieder entwickelten sehr kreative Ideen, um ihre Schweine zu füllen. Darunter waren auch Jugendliche, für die die Paulz-Stiftung ja das erste Projekt durchführen würde.
Details zu den Himmlischen Schweinen
174 Schweine kamen gefüllt zurück. Geplant waren Einnahmen von 36.000 Euro durch die Himmlischen Schweine. Erreicht wurden rund 40.000 Euro.

Erfolgsbaustein Nr. 12 – die Lebendigkeit der Kirchengemeinde

Die Kampagne war gut strukturiert und arbeitete auf verschiedenen Handlungsebenen. Dennoch wäre bei Weitem nicht so viel Geld zusammengekommen, wäre die St.-Paulus-Gemeinde nicht eine Gemeinde, die sehr lebendig ist und seit Jahren eine gute Arbeit macht. So wurde auch die Paulz-Stiftung zu einer Stiftung, die alle zusammen wollten. Als ich den Leiter der Kampagne auf Seiten der Kirchengemeinde, Pastor Tietje, fragte, was für ihn der bewegendste Augenblick in der Kampagne gewesen war, antwortete er: „Das große Abschlussfest am Gründungstag. Die Kirche war voll besetzt. Von den Paulz-Plakettenträgern waren alleine ca. 30 gekommen und saßen verteilt im Publikum. Alle feierten mit und die Stimmung war Stolz und Begeisterung. Dass die Stiftungsgründung eine solche Auswirkung auf die Gemeinde haben würde, habe ich mir vorher nicht vorstellen können.“ Seit diesem Tag gibt es in der Kirchengemeinde auch den „Paulz-Sonntag“. Immer der letzte Sonntag im Mai wird in Erinnerung an die Stiftungsgründung gefeiert.

Ergebnis der Kampagne

Die Kampagne brachte Zustiftungen in Höhe von über 187.000 Euro. Hinzu kamen 120.000 Euro aus dem Verkauf des Gemeindehauses und 40.000 Euro Bonifizierung vom Landeskirchenamt. Am Ende konnte die Stiftung mit einem Stiftungskapital von über 347.000 € gegründet werden. Durch nachlaufende Spenden hat sich dieses Ergebnis inzwischen noch weiter erhöht.

Einzelheiten

Gründungsstifter

Neben der Kirchengemeinde selbst konnten acht weitere Gründungsstifter (Einzelpersonen und Ehepaare) gewonnen werden, die jeweils zwischen 5.000 und 10.000 Euro gaben, insgesamt: 53.000 Euro.

Paulz-Plakettenträger

57 Personen gaben Zustiftungen von 1.000 Euro. Ergebnis: 57.000 Euro. Von diesen 57 ersten Paulz-Plakettenträgern waren knapp 30 bei der Gründungsfeier dabei.

Aktion Himmlische Schweine

174 Himmlische Schweine kamen zurück.
Durchschnitt pro Schwein: 230 Euro
Gesamtsumme: 40.000 Euro

Paulz-Brote (Verkauf: 09.03.2011–29.05.2011)

971 verkaufte Brote. Gewinn daraus für die Stiftung von  240 Euro.
Das Paulz-Brot war in der Bäckerei Behnken viele Wochen lang das meistverkaufte Brot. Darum wurde die Aktion bis zum 29.05.2011 verlängert.

Endspurt – Sponsorenlauf am 10.04.2011 und Mailing

ca. 70 Teilnehmer erliefen 4.000 Euro in einem Sponsorenlauf, der in der Dramaturgie der Kampagne den sogenannten Endspurt einläutete. In diesen letzten Tagen der Kampagne wurden weitere Zustifter gewonnen. Auch wurde ein Brief an 3.500 Adressen versandt.

Fazit und Manöverkritik

Die gründliche Planung war der Schlüssel für den Erfolg. Pastor Tietje: „Das Wichtigste für den Erfolg der Kampagne ist für mich im Nachhinein, dass wir die Kampagne von Anfang an als Ganzes sahen. Alle Aspekte wurden nebeneinander geplant. Als wir starteten, lief es dann. Es gab kaum Probleme. Nur die Menge der Arbeit hat uns überrascht und war eine ständige Herausforderung.
Eine Sonderveranstaltung pro Monat war eine hohe Belastung für die ohnehin schon aktiven Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Auch konnten die vielen Informationen, die sich durch die Gespräche und andere Rückläufe sammelten durch eine stundenweise dafür abgestellte Bürokraft zwar noch in eine Excel-Tabelle eingepflegt werden, die Auswertung und Reaktion im Detail blieb aber liegen. Ein Problem, dass dem Ergebnis keinen Abbruch tat, aber zeigte, dass für ein Fundraising mit so vielen Kontakten eine bessere Datenverwaltung nötig wäre.
Viele Gründungsstifter sahen „Den Himmel öffnen“ für sich als Gelegenheit, einmal in ihrem Leben mit einer höheren Summe bei einer Stiftung dabei zu sein. Für sie war es ein „Jahrhundertereignis“. Dieses Engagement und die Stimmung zeigte sich in der ganzen Kampagne. Die Verleihung des Sonderpreises der Jury des 4. Fundraisingpreises der Evanglisch-lutherischen Landeskirche Hannovers am 10. November 2011 war dann noch einmal die Bestätigung dieser besonderen Kampagne.
Wir zitieren aus der Laudatio, die Dr. Friedrich Haunert anlässlich der Preisverleihung hielt:
Sie haben (…) einen durchdachten Maßnahmen-Mix kreiert, der sich sowohl an professionellen Fundraising-Ansprüchen orientiert als auch Ihre Werte und Ihre Haltung widerspiegelt, indem Sie große Zuwendungen gezielt und strategisch eingeworben haben und den vielen Menschen Ihres Umfeldes mit „Himmlischen Schweinen“ die Möglichkeit eröffneten, sich selbst zu beteiligen (…). Wir meinen, Sie haben etwas Großes bewegt und wünschen der Paulz-Stiftung eine Himmel-öffnende Zukunft!
(Laudatio Quelle: EMSZ – Evangelisches MedienServiceZentrum der Ev.-Lutherischen Landeskirche Hannover)