von Ehrenfried Conta Gromberg

Am 28.09.2012 sprach Bruce Sievers im Körber Forum in Hamburg über das Thema „What Civil Society really needs!“ Mit ihm war ein Veteran der US-Zivilgesellschaft in Deutschland zu hören. Seine Botschaft: „Civil Society kann Ziele erreichen, die Regierungen und Märkte nicht schaffen.“ Doch an welcher Stelle braucht die Civil Society heute Unterstützung?

Der Anlass

Die Körber Stiftung hatte wichtige Akteure der Bürgergesellschaft aus ganz Deutschland und darüber hinaus nach Hamburg geladen. Der Anlass war die Abschiedsfeier für den Ideenwettbewerb USable, der von 1998 bis 2012 deutsche Organisationen prämierte, die Ideen der US-Zivilgesellschaft nach Deutschland „importierten“. 38 Ideen wurden im Laufe der Jahre in sieben Ausschreibungen prämiert und durch das Netzwerk der Körber Stiftung begleitet. Unter anderem half auch Spendwerk bei der Qualifizierung einiger der Preisträger im Sozialmarketing. Das Nachfolgeprojekt von USable wird das Körber-Netzwerk Bürgergesellschaft. Die Beweger.
Es galt von „Usable“ Abschied zu nehmen. Und einen Blick auf die Zukunft der Zivilgesellschaft zu werfen. Dafür war neben anderen Bruce Sievers als Redner geladen.

Der besondere Charakter der Civil Society

Bruce Sievers beschrieb in seinem Vortrag den „non-commercial Space“, den Bürger neben der Regierung errichten können. Diesem Raum wies er einen eigenen Charakter im Vergleich zur gewählten Regierung (government) und der Wirtschaft (markets) zu. Der „separate character“ der Civil Society beinhaltet die Elemente „freedom“ und „action“.
Diese Stärken der Zivilgesellschaft bringt sie zugleich auch sofort in Spannung mit der gesetzlich legitimierten Demokratie. Denn warum sollten Bürger etwas besser können als die ebenfalls von den Bürgern gewählte Regierung?

Norm of the Common Good

Sie können es, da sie häufig direkter an den Problemen und damit auch den Lösungen sind. Um die Spannung der Legitimität zu lösen, stellte Bruce Sievers zwei Pole gegenüber: „Private Interests“ und „Common Goods“. Streitet eine Gruppe von Bürgern nur für private Interessen, kann sie nicht den Anspruch erheben, die Zivilgesellschaft zu repräsentieren. Arbeitet eine Gruppe von Bürgern aber für „Common Goods“, wird sie zu einer Kraft der Civil Society. Dann kommt es zur Stärkung der allgemeinen Demokratie durch die Civil Society.
Dass diese Definition die Spannung nicht ganz abbauen kann, ist einleuchtend. Denn was ist, wenn eine Minderheit etwas für wichtig hält, was andere nicht so sehen? Die Zivilgesellschaft wird dann konstruktiv, wenn sie diese Energien verarbeiten kann. Aus diesem Grunde sind konstituierende Merkmale der Civil Society: Achtung der Rechte des Einzelnen (damit auch der Minderheiten), Gewaltfreiheit, Toleranz. Ein Common Good geht über das private Interesse eines Einzelnen hinaus.

What Civil Society really needs

So weit so gut. Dies ist gewachsener, anerkannter Stand der Entwicklung.
Doch was braucht die Civil Society heute?
Dass Bruce Sievers ein Verfechter der Civil Society ist, ist schon alleine aus seiner Vita zu begründen. Von daher war es spannend zu erfahren, in welche Bereiche er investieren würde, um die Civil Society zu stärken. Seine Antwort war (verkürzt auf den Punkt gebracht):

– Die Medien müssen das Thema stärker aufgreifen

– Das Vertrauen der Bevölkerung zur Civil Society muss gestärkt werden

Public Trust

Auf dem Hintergrund eines allgemeinen Vertrauensverlustes der Bevölkerung gegenüber der Regierung (von Bruce Sievers beeindruckend durch Grafiken für die USA belegt) wird die Frage immer wichtiger: Wie legitimiert sich die Civil Society und gewinnt das Vertrauen der Bevölkerung (und auch der Regierung)? Was kann getan werden, um die Infrastruktur der Zivilgesellschaft und das öffentliche Ansehen zu stärken? Die Zivilgesellschaft selbst kann sich dabei einen Gefallen tun, indem sie transparent und mit guten Formen der Selbstverwaltung überzeugt.

Antworten

Die Fragen wurden im Forum in weiteren Vorträgen aufgegriffen und in moderierten Expertenforen diskutiert. In meinen Augen waren drei Punkte in der Debatte erwähnenswert:
Zum einen die Beobachtung diverser Teilnehmer der Diskussion, dass die Politik die Civil Society gerne sieht, wenn diese „Charity“ betreibt, also Lücken, die der Staat hinterlässt mit eigenen Geldmitteln füllt, nicht aber, wenn die Civil Society politisch wird und eigene Lösungen entwickelt. Dies gipfelte mit der Frage eines Attac-Mitgliedes: Es geht nicht darum, ob die Bürger noch der Politik vertrauen, sondern darum, ob die Politik den Bürgern traut.
Prof. Dr.  Leo J. Penta vom Deutschen Institut für Community Organizing stellte seine Arbeit vor. Interessant ist im Ansatz des Community Organizings, dass dort sich Gruppen (nicht Individuen) zu einer Bürgerplattform zusammenschließen. Dies ist ein Mechanismus, um die Frage der Legitimität dieser Plattformen zu klären. Frei gesprochen: Je mehr Gruppen, desto mehr „common“.
Zum dritten die Ausführungen von Prof. Dr. Helmut K. Anheier von der Hertie School of Governance. Er arbeitete heraus, dass vor allem Stiftungen in ihrer Arbeit eher konsensfähige Felder bearbeiten und den politischen Konflikt scheuen. Das bedauerte er, da er gerade in den Konfliktfeldern die Wirkung als wesentlich stärker erachtet, die unabhängige Kräfte dort zur Findung neuer Lösungen einbringen könnten. Interessant seine Frage, warum die gesamte Finanzkrise ohne nennenswerte Beiträge aus dem Dritten Sektor abläuft. Warum überlässt man die Finanzpolitik alleine der Politik?

Fazit

Ein gelungener Abschied für „USable“. Zugleich aber auch eine Diskussion, die zeigt, dass die Civil Society in Deutschland noch weit davon entfernt ist, eine eigene selbstbewusste Stärke zu haben und auf den Rückhalt in Politik und Bevölkerung setzen zu können.
Dass dabei der Import US-amerikanischer Ideen in Deutschland nicht sofort Breitenwirkung erzielen muss, kann an dem „Import“ des Modells „Bürgerstiftung“ durch die Bertelsmann Stiftung und des Modells „Community Organizing“ durch die Körber Stiftung veranschaulicht werden. Beide Modelle haben in den USA starke Tradition und Gewicht, sind in Deutschland aber über erste Anfangserfolge noch nicht groß hinausgekommen. Von daher steht noch ein weiter Weg vor dem Civil Sector, bis er merklich die deutsche obrigkeitshörige Politik-Landschaft ergänzen kann.

Service

Über Bruce Sievers
Bruce Sievers, Ph.D. ist Visiting Scholar und Dozent an der Stanford University und außerordentlicher Professor am Institute für Nonprofit Organization Management der Universität San Francisco. Er studierte u.a. als Fulbright-Stipendiat an der Freien Universität Berlin und kennt Deutschland daher nicht nur aus der Ferne.
Bruce Sievers zeichnet sich durch eine lange Vita in der amerikanischen Civil Society aus:
– 2002 erhielt Bruce Sievers den „Outstanding Foundation Executive Award“
– Er ist Senior Fellow der Rockefeller Philanthropy Advisors
– Von 1983 bis 2002 war er Geschäftsführer des Walter and Elise Haas Fund
– Mitglied des Aufsichtsrats des Council on Foundations
– Vorsitzender der Northern California Grantmakers
Publikationen von Bruce Sievers
Bruce Sievers veröffentlicht in der Los Angeles Times und in verschiedenen philanthropischen Fachzeitschriften.
Sein Buch „Civil Society, Philanthropy and the Fate of the Commons“ erschien 2010.
Artikel über das Buch Civil Society, Philanthropy and the Fate of the Commons
Links zum Thema
http://www.koerber-stiftung.de/
http://www.koerber-stiftung.de/gesellschaft/transatlantischer-ideenwettbewerb-usable.html
http://www.koerber-stiftung.de/gesellschaft/koerber-netzwerk-buergergesellschaft.html